Vor einigen Tagen habe ich bei der Berliner Justizverwaltung beantragt, mich mit Ablauf des 31. Juli 2024 aus dem Dienst der Berliner Justiz zu entlassen. Ab dem 1. August werde ich also nicht mehr Richter des Landes Berlin sein, sondern Richter am Landgericht a.D. Das ist ein Abschied, der mir nicht leicht fällt, denn ich war stets sehr gerne Richter. Zugleich wird mir dieser Schritt aber die Möglichkeit geben, mich in Zukunft voll meinem Herzensprojekt zu widmen: Gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen Philip Banse möchte ich unseren Podcast „Lage der Nation“ moderieren und das dahinterstehende kleine Medien-Unternehmen weiterentwickeln. Außerdem bleibe ich Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Mit meinem Abschied aus der Justiz geht eine persönliche Entwicklung in die nächste Phase, die mit der Gründung der „Lage“ 2016 begann: Was Philip und ich zunächst als Hobby gestartet haben, ist inzwischen zu einer Firma gewachsen, die ein Dutzend Menschen beschäftigt. Rund eine Million Menschen hören regelmäßig die Lage der Nation, für viele ist unser Podcast aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Erst vor ein paar Wochen wurde die Lage der Nation mit dem Deutschen Podcast-Preis 2024 in der Kategorie „Beste Information“ ausgezeichnet. Für mich stand daher von vornherein fest, dass ich mich weiter für die „Lage“ engagieren möchte. Die Frage war nur, inwieweit das mit der Arbeit in der Justiz zu vereinbaren sein könnte, wenn meine Beurlaubung in diesem Sommer ausläuft.
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass beide Aufgaben nicht zu vereinbaren sind. Die Menschen, über die ich als Strafrichter hätte urteilen müssen, erwarten völlig zu Recht, dass Richterinnen und Richter den Kopf frei haben und sich voll auf die Rechtsprechung konzentrieren. Das aber hätte ich nicht garantieren können, wenn ich zugleich Verantwortung für die „Lage der Nation“ und unsere Mitarbeiter:innen trage. Daher habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschlossen, meinen Abschied aus der Justiz zu nehmen.
Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass dies keine Entscheidung gegen die Justiz ist. Unser Rechtsstaat ist eine großartige Errungenschaft, und ich kann junge Menschen nur ermuntern, sich für die Arbeit in der Justiz zu entscheiden. Mein Entschluss ist vielmehr eine Entscheidung, wo ich meine Kraft in den nächsten Jahren einsetzen möchte. An dieser Stelle habe ich mich für das Engagement für einen zeitgemäßen politischen Journalismus entschieden, der sich unparteiisch, aber mit klarer Haltung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Ich war immer gerne Richter und hätte auch gerne wieder in Moabit gearbeitet. Doch ich glaube, dass ich der aktuellen politischen und sozialen Situation in Deutschland bei der „Lage der Nation“ mehr für unser Land und unsere Gesellschaft bewegen kann.
Ein Abschied wie dieser ist ein schöner Anlass, um den Menschen zu danken, die die für mich sehr erfreuliche Entwicklung in den letzten 15 Jahren mit möglich gemacht haben – in der Justiz und bei der Lage. Am Landgericht Berlin möchte ich stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen VRiLG i.R. Peter Faust danken, dessen Gerechtigkeitssinn und unerschütterlicher Humanismus für mich stets ein Vorbild bleiben werden. Bei der Senatsverwaltung für Justiz habe ich besonders Dr. Gero Meinen viel zu verdanken, in dessen Abteilung ich ein Jahr einen Gesetzentwurf schreiben durfte, der zugleich Grundlage meiner Dissertation wurde. In ganz besonderer Weise hat jedoch meine Zeit am Bundesverfassungsgericht mein juristisches und politisches Denken geprägt. Dafür möchte ich Prof. Dr. Andreas Voßkuhle und Prof. Dr. Winfried Hassemer danken, die mir als wissenschaftlicher Mitarbeiter in ihrem Dezernat das erste Votum in fast einhundert Verfassungsbeschwerdeverfahren anvertraut haben.
Bei der Lage der Nation gilt mein erster Dank den Menschen, die uns Woche für Woche zuhören. Ohne ihr Interesse an unserem Format und vor allem ihre finanzielle Unterstützung hätte ich mich niemals entscheiden können, in Zukunft voll als Journalist zu arbeiten. Wer das weiter möglich machen möchte, kann dies z.B. mit einem Lage-plus-Abo oder einem Dauerauftrag tun. Die Lage wäre außerdem nicht möglich ohne unser großartiges Team – danke, dass ihr dabei seid!
Last but not least lebt die „Lage“ vom beeindruckenden Engagement und der reichen Erfahrung meines Freunds und Mitgründers Philip Banse. Bei ihm durfte ich in den letzten acht Jahren eine Art Langzeit-Volontariat absolvieren, sodass ich mich inzwischen ohne rot zu werden selbst Journalist nennen darf. Herzlichen Dank, dass wir das zusammen rocken!
Zunächst einmal aber heißt es bei mir: Wie ist die Lage? Bestens! Euch allen einen schönen Sommer.